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Geschichte des Hauses

Dass Naumburg Sitz des Oberlandesgerichts des Landes Sachsen-Anhalt ist, entspricht einer langen historischen Tradition.
Das heutige Gerichtsgebäude befindet sich auf dem Georgenberg, von dem aus man das Saaletal überblicken kann. Vermutlich um 1010 errichteten die Markgrafen von Meißen dort ihre "Neue Burg", wovon sich der Name der Stadt Naumburg ableitet. Von diesem Bergsporn aus konnten Sie das Saale- und Unstruttal beherrschen. Über 700 Jahre stand die Burg dort. Die Ekkehardiner überließen sie 1028 dem Bischof von Zeitz, dessen Unterkunft sie 250 Jahre lang war, bis sie dann die Wohnung der Dompröbste wurde. Im Laufe der Jahrhunderte kamen die Gebäude immer mehr in Niedergang und dienten am Schluss den verschiedenartigsten Zwecken.

Nach dem Wiener Kongress 1814/1815 gelangte das vormals sächsische Naumburg zu Preußen. Merseburg wurde Regierungssitz des als Herzogtum Sachsen bezeichneten preußischen Regierungsbezirks; in Naumburg wurde das dazugehörige Oberlandesgericht entsprechend der damaligen preußischen Gerichtsverfassung installiert. Es hielt am 29. März 1816 seine erste Sitzung ab, allerdings im Residenzhaus am Markt, dem heutigen Amtsgericht. Im Jahr 1817 erwarb der preußische Staat das Grundstück auf dem Georgenberg und ließ unter teilweiser Verwendung bereits angefangener Baumaßnahmen das erste Oberlandesgerichtsgebäude in Naumburg errichten. Dieses Gerichtsgebäude hat dann fast 100 Jahre seinen Zweck erfüllt.
Nach einer erheblichen Erweiterung des Gerichtsbezirkes und mit wachsenden Aufgaben nach den sog. Reichsjustizgesetzen erwies es sich aber endgültig als zu klein. Es wurden sein Abriss und ein Neubau durch den Regierungsbaumeister Fritz Hoßfeld beschlossen. Die Baumaßnahmen dauerten von 1913 bis 1917. Die Stadt Naumburg richtete die Zufahrtsstraße her und beschloss als Zeichen der Verbundenheit mit ihrem Oberlandesgericht einen von dem Künstler Max Klinger zu schaffenden Brunnen zu stiften. Die Bedingungen der Kriegszeit verhinderten dies jedoch. Am 23. Oktober 1917 wurde das Gebäude feierlich eröffnet. Das neue Gebäude war und ist ein eindrucksvolles Bauwerk.

Das Sonntagsblatt zum Naumburger Tageblatt vom 11. November 1917 berichtete, der Baumeister Fritz Hoßfeld habe bewusst "das kalt abweisende, das einer Richterstätte im Volksbewusstsein noch immer anhafte, auflösen wollen in eine lächelnde, einladende Anmut". Dies ist ihm auch gelungen, wie bereits der Zugang, aber auch das stellenweise verspielt wirkende Foyer zeigen. Selbst der repräsentative Plenarsaal weist viel weniger abweisende und kalte Elemente auf als man das von vielen Sitzungssälen aus jener Zeit gewohnt ist.
Am 12. April 1945 stellte das Oberlandesgericht seine Tätigkeit unmittelbar vor dem Einrücken amerikanischer Truppen ein. Als die sowjetische Armee Anfang Juli 1945 die amerikanischen Truppen ablöste, richtete sie im Gebäude des Oberlandesgerichts ihre Kommandantur ein. Es war militärischer Bereich, wurde zu diesen Zwecken teilweise umgestaltet und war für die Bevölkerung nicht zugänglich. Ein Teil der Justizangehörigen, die den 2. Weltkrieg überlebt hatten, wurde interniert, andere hatten Naumburg in Richtung Westen verlassen, einige waren in Naumburg geblieben. Im Frühjahr 1946 erfolgte der Umzug des Oberlandesgerichts nach Halle, wo es zunächst im Gebäude des dortigen Landgerichts und später in den Räumen des Oberbergamtes untergebracht war. Es stellte seine Tätigkeit in Halle zum 31. August 1952 ein, als in der DDR als Folge der Abschaffung der Länder und der völligen Umorganisation der Verwaltungsstrukturen ein dreistufiger Gerichtsaufbau eingeführt wurde. In dem alten Oberlandesgerichtsbezirk wurden drei Bezirksgerichte in Erfurt, Halle und Magdeburg errichtet.
Nach der Errichtung des Landes Sachsen-Anhalt im Oktober 1990 nahm das Bezirksgericht in Magdeburg als Gericht am Sitz der Landesregierung nach den Regelungen des Einigungsvertrages einen großen Teil der Aufgaben wahr, die bei einem vierstufigen Gerichtsaufbau (Amtsgericht, Landgericht, Oberlandesgericht, Bundesgerichtshof) in die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts fallen. Am 29. Januar 1991 beauftrage das Landeskabinett des Landes Sachsen-Anhalt den Richter am Bundesgerichtshof Prof. Jürgen Goydke aus Karlsruhe mit der Wahrnehmung der Geschäfte des Präsidenten des Bezirksgerichts Magdeburg mit der Maßgabe, aus dieser Funktion heraus das Oberlandesgericht in Naumburg aufzubauen. Am 1. März 1992 wurde der Aufbaustab Oberlandesgericht und die Besonderen Senate des Bezirksgerichts Magdeburg sowie die für Familiensachen zuständigen Senate nach Naumburg verlegt. Dort bezogen sie Arbeitsräume in dem Gebäude des Kreisgerichts am Markt und im Verwaltungsgebäude der Metallwarenfabrik Naumburg. Der Landtag beschloss im Juli 1992, das Oberlandesgericht für das Land Sachsen-Anhalt in Naumburg sowie die Landgerichte in Halle, Magdeburg, Dessau und Stendal zum 1. September 1992 zu errichten.

Am 9. September 1992 wurde das Gebäude auf dem Georgenberg an den ersten Präsidenten des wiedererrichteten Oberlandesgerichts, Prof. Jürgen Goydke, übergeben. Dies geschah im Rahmen einer feierlichen Schlüsselübergabe durch Generalmajor Troz in Gegenwart des seinerzeitigen Justizministers Walter Remmers, zahlreicher Justizangehöriger und Ehrengäste.
Während die Arbeit des Oberlandesgerichts in dem nebenan als Interim errichteten Containerbau vonstatten ging, wurde das historischen Gebäude grundlegend saniert. Zwar hatten es die sowjetischen Streitkräfte, den Umständen entsprechend, in einem guten Zustand hinterlassen. Dennoch musste es für einen modernen Gerichts- und Bürobetrieb grundlegend hergerichtet und unter Berücksichtigung des Denkmalschutzes auch innen verändert werden. Dabei waren Veränderungen, die aus Gründen der militärischen Nutzung vorgenommen worden waren, rückgängig zu machen. Die Zahl der Räume wurde dem veränderten Arbeitsverhalten und derhöheren Belegschaft des Gerichts angepasst. Historisches Material konnte nur noch zu einem geringen Teil aufgearbeitet und wieder verwendet werden. So mussten sämtliche Fenster neu angefertigt werden, ebenso wie die Türen. Besonderer Wert wurde auf die Wiederherstellung der Räume gelegt, die vor allem das Gesicht des Hauses prägen: der Große Sitzungssaal, die Senatssitzungssäle, die Bibliothek und das Präsidentenzimmer. Hier ist es gelungen, weitgehend den Originalzustand wieder herzustellen, teils durch Aufarbeitung des vorhandenen, teils durch behutsame Ergänzung und Erneuerung mit der architektonischen Strukturen.

Seit dem Jahr 1998 wird der öffentlich zugängliche Vorgarten des Oberlandesgerichts durch den bereits anlässlich der Errichtung des Gebäudes im Jahr 1917 geplanten, aber nicht verwirklichten Klingerbrunnen geschmückt. Die späte Realisierung dieses Entwurfes ist dem damaligen Oberbürgermeister der Stadt Naumburg, Curt Becker, zu verdanken, der den erneuten Einzug des Gerichts in sein ursprüngliches Gebäude zum Anlass nahm, durch die Sammlung von Spenden die Errichtung des Brunnens möglich werden zu lassen.

Der Gründungspräsident, Professor Jürgen Goydke, trat im Jahr 1996 in den Ruhestand und übergab die Nachfolge an Frau Präsidentin Gertrud Neuwirth, der im Jahr 2004 Präsident Winfried Schubert und im Jahr 2016 Präsident Dr. Uwe Wegehaupt nachfolgten.

Das Oberlandesgericht wird seit dem 2. April 2024 von Herrn Präsidenten Dr. Winfried Holthaus geleitet.